Liebe Zuhörerinnen,
Liebe Zuhörer,
Oft merkt man erst, was man hatte, wenn es einem weggenommen wird.
Es kann aber auch vorkommen, dass jemand anderem etwas weggenommen wird, um einem selbst den Wert der eigenen Situation bewusst zu machen.
Millionen von Frauen auf der ganzen Welt dürfte es so gegangen sein, als sie hörten, dass der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten amerikanischen Frauen ihr Recht auf Abtreibung entzogen hatte. Beziehungsweise, dass es darauf ankommt, in was für einem US-Bundesstaat sie leben. Nach einem halben Jahrhundert wird damit Frauen in den Vereinigten Staaten grundsätzlich das Recht verweigert, über ihren Körper zu entscheiden. Zu entscheiden, ob sie es für richtig halten, zu diesem Zeitpunkt ein Kind zur Welt zu bringen oder nicht.
Diese Entscheidung wird nicht dazu führen, dass weniger Abtreibungen in den USA durchgeführt werden. Aber Frauen, die nicht die Mittel haben, in einen Staat zu reisen, in dem Abtreibungen erlaubt sind, haben künftig nur noch die Möglichkeit eines illegalen, gefährlichen Eingriffs, wenn sie kein Kind wollen. So sind es wie so oft die weniger bemittelten Frauen, die am meisten unter der Entscheidung des höchsten amerikanischen Gerichts zu leiden haben.
Ganz zu schweigen von den Leiden und körperlichen Folgen illegaler Abtreibungen bei Mädchen und Frauen.
Hierzulande haben die Regierungen unter dem liberalen Premierminister Gaston Thorn und – 30 Jahre später – insbesondere unter Premierminister Xavier Bettel dafür gesorgt, dass der Bevormundung der Frauen ein Ende bereitet wurde.
Mit der Gesetzesreform 2014 haben Frauen in Luxemburg endlich das volle Recht auf ihren Körper bekommen.
In der Zeit zwischen den DP-geführten Regierungen musste die Frau zunächst einen Arzt konsultieren oder sich später zwei Beratungen unterziehen. Seit 2014 haben Frauen das Recht auf Beratung, sind dazu aber nicht verpflichtet. Die Beratungspflicht ist entfallen.
Das müssen wir auch in Zukunft sicherstellen. Deshalb war es mir ein besonderes Anliegen, dem Parlament am vergangenen Dienstag eine Entschließung vorzulegen, in der schließlich 56 der 60 Abgeordneten dafür gestimmt haben, das luxemburgische Abtreibungsgesetz nicht zu verletzen.
Es ist erschreckend, wie schnell ein hart erkämpftes Recht einfach gekippt werden kann. Es ist aber auch ein Beweis dafür, dass das Engagement für das Recht auf Privatsphäre und Selbstbestimmung – und insbesondere der Kampf für die Rechte der Frauen – fortgesetzt werden muss. Täglich.